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Jugendherbsttour und Commodore Cup

Jeden Herbst findet eine Tour mit einer reinen Jugendcrew statt, die sich an den Commodore Cup anschließt oder diesem, wie bei der diesjährigen Tour, voran geht. Bei dem Cup handelt es sich um eine Langstreckenregatta, die sich ebenfalls explizit an junge Seglerinnen und Segler richtet.


Ausgerichtet wird diese Veranstaltung seit acht Jahren von vier nordischen Vereinen: dem Lübecker Yachtclub, dem Kieler Yachtclub, dem Hamburgischen Verein Seefahrt und der SKWB. Das Ziel des Rennens ist es, Anreize für den Nachwuchs der Vereine zu schaffen. Junge Menschen sollen für das Hochseesegeln begeistert werden und erhalten in diesem Zuge die Möglichkeit, ohne entsprechende Scheine unter der Aufsicht eines erfahrenen Supercargo eigenverantwortlich hochseetaugliche Schiffe zu führen. Das Angebot wird von jungen Skipperinnen und Skippern samt Crews dankend angenommen. Gesegelt wird um mehrere Preise, unter anderem für das First Ship Home, das nach berechneter Zeit schnellste Schiff und die schnellste Crew mit Skipperin.


Am Nachmittag des 26. Septembers trudelt die Crew auf der WAPPEN ein, die in Düsternbrook an der Kiellinie liegt. Ein Großteil von uns kennt sich von der letzten Herbsttour auf der BANK von BREMEN. Um es gleich vorweg zu nehmen: auch die Bockwürste, dessen legendärer Status der Stammleserschaft des Brückenbuches noch aus Erwähnungen im Vorjahresbericht bekannt sein dürften, finden wieder in geraumen Mengen ihren Weg in die Proviantschapps.


Aber gehen wir chronologisch vor. Der Wahlabend der Bundestagswahlen kann natürlich nicht ohne politische Diskussionen vergehen. So schauen einige von uns mehr, andere weniger emotional auf die ersten Hochrechnungen des Wahlergebnisses, während im Cockpit die bestellte Pizza verköstigt wird. Das weite politische Spektrum, das unsere junge Crew abdeckt, bietet viel Potenzial für intensive Diskussionen. Und die gibt es zur Genüge.


Am nächsten Tag starten wir unsere Tour bei drei Windstärken aus Südsüdost und leichter Bewölkung.

Richtung Fehmarn


Es geht Richtung Fehmarn, um die künftige Regattastrecke (Kiel - Travemünde) auszukundschaften. Dort stellen die Arbeiten am Fehmarn-Belt-Tunnel derzeit ein besonderes Hindernis dar. Nachdem wir die Kieler Bucht zunächst aufkreuzen, fahren wir später raumere Kurse und durchqueren schließlich die Mecklenburger Bucht. Der Wind pendelt zunächst zwischen 10 und 14 Knoten, in den Spitzen briest es später kurzzeitig bis 21 Knoten auf. Daher fahren wir ab Dämmerung unter Kutterfock und erstem Reff im Groß.


Jari, der in die Fußstapfen unseres Gourmetkochs Robert tritt und mit der Essensplanung betraut wurde, zaubert uns ein leckeres Abendessen. Die Gerichte wirken bodenständig; statt Lammfilets wie im letzten Jahr stehen Pasta Pomodoro oder Rotkohl mit Kartoffeln auf dem Programm, aber geschmacklich haben sie es in sich. Ansonsten verläuft die Nacht ruhig und das drei-Stunden-Wachsystem á zwei Wachen spielt sich gut ein. Fluoreszierende Algen beglücken uns nachts in den Wasserverwirbelungen am Heck mit Meeresleuchten.


Der neue Tag bricht an und bringt uns den Sommer zurück. Mit Sonnenbrille und in T-Shirt sitzen wir an Deck. Das sonnige Wetter sorgt für gute Stimmung. Der große Haken an der Sache ist allerdings, dass mit den Temperaturen auch die Flaute kommt. Den ganzen Vormittag dümpeln wir vor Kühlungsborn. In der Nacht haben wir vor der Landzunge bei Darßer Ort gewendet und sind inzwischen wieder auf dem Rückweg. Bis Freitag müssen wir wieder in Kiel sein, denn am Samstag startet der Commodore Cup vor Strande. Für Donnerstag sind allerdings über 40 Knoten Sturmböen angesagt, weswegen wir wohl mit einem Hafentag rechnen müssen.


Als die Windanzeige schließlich wieder auf 6 Knoten klettert, heißt es dann All-Hands-on-Deck. Gennakertraining mit Regatta-Rollenverteilung. Nach einigen Halsen nehmen wir schließlich Kurs auf Burgstaaken auf Fehmarn. Da die zweite Nacht nicht vollständig durchgesegelt wird und wir ausreichend erholt sind, weichen wir das Wachsystem auf. Nach 176 Seemeilen sind um 23:00 die Leinen in Burgstaaken fest. Ein Einlaufbier vereint die Crew bei Kerzenschein im Cockpit, bis schließlich alle in die Kojen fallen. Inzwischen ist es Mittwochvormittag.


Leider hatte sich in den letzten Tagen herausgestellt, dass einige Winschen nicht einwandfrei funktionieren. Daher sind wir am Vormittag mit einigen kleinen Reparaturen beschäftigt und bauen die zwei lahmenden Winschen auseinander, reinigen sie, fetten sie neu und setzen sie danach wieder zusammen.


Wartung der Winschen


Nach einem schnellen Mittagessen geht es endlich wieder aufs Wasser. Mit 14-17 Knoten aus West werden wir Richtung Eckernförde gepustet. Da wir zunächst um Fehmarn aufkreuzen müssen, nutzen wir die Gelegenheit erneut, um in der Regatta-Rollenverteilung zu trainieren. Mit ein wenig Übung klappen die Wenden nach einer Weile deutlich besser. Anschließend fallen wir ab und ersetzen die Kutterfock durch die Rollgenua. Am Abend frischt der Wind deutlich auf. Während wir vor dem Kieler Leuchtturm unterwegs sind, fegt eine Windhose über die Kiellinie, wie wir später in den Nachrichten lesen.


Auch in unserer Umgebung verschlechtert sich das Wetter mit der Dämmerung und brist auf sechs Windstärken auf. Gegen 20:00 erhascht uns eine zusätzliche Herausforderung: das GPS-Signal fällt aus, sodass wir dazu gezwungen sind, uns auf unsere terrestrischen Fähigkeiten zu besinnen. Einige Zeit später ist die anfängliche Anspannung verflogen und das Signal etwa drei Stunden darauf glücklicherweise wieder da. Mit gerefftem Großsegel und der Kutterfock kommen wir um 23:20 in Eckernförde an. Dort wettern wir vom nächsten Morgen bis zum Nachmittag den Starkwind ab. Anschließend geht es bei 5-6 Windstärken aus Südwest nach Laboe. Am Abend sitzen wir kartenspielend im Salon. Wir sind trotz des langen Tages und wahrscheinlich auch wegen des verzerrten Schlafrhythmus eine ausdauernde Runde.


Freitagmorgen gibt es ein ausgiebiges Frühstück. Den restlichen Tag widmen wir einem letzten Training für die morgige Regatta. Wir nutzen die bereits ausliegenden Regattatonnen, um unter Regattabedingungen den idealen Start zu üben. Auch die eventuell erforderlichen Vorsegelwechsel und möglichst schnelles Ein- und Ausreffen sowie weitere Manöver werden intensiv trainiert. Nachdem sich die Navigationsecke mit unserer Leistung zufrieden zeigt, setzen wir den Kurs Richtung Schilksee. Um 18:00 sind wir in der virtuellen Steuermannsbesprechung eingeklinkt. Wir starten im Kängurusystem und sind um 08:47:28 dran. Zum Tagesabschluss nimmt unser ehemaliger Gourmetkoch ein letztes Mal sein Handwerk auf und zaubert der Crew ein „Entrecôte al Robert“. Sein Debüt überzeugt. Ein solches Festmahl vollendet die ideale Vorbereitung auf das morgige Rennen.


Am Renntag geht es um halb sieben aus den Kojen. Auslaufen ist für eine Stunde später anberaumt. Mit ein wenig Verspätung sind wir schließlich auf der Kieler Förde und legen einen guten Start hin. Das erste Drama lässt allerdings nicht lange auf sich warten. Kurz nachdem wir den Kieler Leuchtturm runden, reißt uns der Gennaker (A2). Aus dem Nichts klafft das Tuch bei 9 Knoten Wind entzwei, sodass wir einige Minuten mit dem Bergen beschäftigt sind. Nach einem recht schnellen Manöver wechseln wir auf den Code Zero. Glücklicherweise frischt der Wind etwas auf, sodass die Besegelung das Schiff nicht lange unterpowert. Vor Fehmarn allerdings geht es nicht mehr so schnell voran und unsere Geschwindigkeit verringert sich von vorigen 9-10 auf 6-7 Knoten. Ab Fehmarn vorbei wird unser Kurs immer spitzer. Wir wechseln den Code Zero auch wegen des inzwischen wieder zunehmenden Windes gegen die Genua (C1). So kreuzen wir eine ganze Weile, bevor es kurz


Auf der hohen Kante


vor der Ziellinie noch einmal richtig spannend wird. In letzter Minute entschließen wir uns, unsere Aufholjagd der vorigen Stunden durch den Code Zero zu beschleunigen. Leider läuft das Manöver schief und unser Match Race zieht sich bis vor die letzten Meter vor der Ziellinie. Es gelingt uns dennoch, zwei unserer Konkurrenten zu überholen. Somit endet die Regatta versöhnlich für uns. Den Abend lassen wir gemeinsam mit den Crews der 13 anderen Schiffe beim Grillen im Lübecker Yacht Club ausklingen.


Preisverleihung Commodore Cup


Gerade durch die Woche gemeinsamen Segelns vor der Wettfahrt hatten wir einen guten Zusammenhalt und waren in den Manövern eingespielt. Über lange Strecken gelang es uns, gute Geschwindigkeiten aus dem Boot zu kitzeln. Rundum sind wir also zufrieden mit unserer Leistung, die durch noch mehr Übung und Vertrautheit mit dem Schiff sicherlich noch zu verbessern gewesen wäre.


Wir bedanken uns herzlich bei unserem Supercargo Peter Schikora und unserem Schiffer Søren Rebenstorff sowie der SKWB, die uns diese Tour ermöglicht haben.


Gyde Hansen

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