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Hochzeitsreise mit neun Männern

Da viele Crews mit der Wappen in diesem Sommer im gleichen Seegebiet unterwegs waren, soll mein Bericht eher die menschliche Seite und die besonderen Erlebnisse auf der Hochzeitsreise des Skippers und seiner frisch angetrauten Ehefrau - jenseits von Staysail und zweitem Reff - schildern.


Nach einer für alle Segler und Verantwortlichen der SK anstrengenden monatelangen Unsicherheitsphase durch die ständig wechselnden Lagen der Pandemie und die daraus folgenden häufigen abrupten Änderungen der Quarantänevorschriften, war gefühlt erst zwei Wochen vor dem Törnstart hinreichend wahrscheinlich, dass dieser auch stattfinden wird. Fast jede/r von uns hat davor Flüge und Hotelzimmer storniert und mit mulmigen Gefühlen neue Flüge und Zimmer gebucht. Das war schon mal eine jedenfalls für mich ganz neue „Vorfreudephase“ vor dem Törn.


Und dann kam drei Tage vor dem Abflug nach Spanien der Anruf von Rasmus, dass ich noch ein Ausrüstungspaket für die Wappen mitnehmen soll. Als ich hörte, dass Haro Helms einen neuen Achterstagspanner ins Gepäck bekommt, war ich froh, dass mir nur ein 3-kg-Paket zugelost wurde.


Die Übernahme der Wappen und der Einstieg in den Törn, der dann doch nach Süden bis Lissabon statt - wie zwischendurch geplant - in die Biskaya ging, verlief ohne besondere Überraschungen. Außer vielleicht: unter den Bodenplatten wurde der Platz wirklich knapp, weil wir für Flitterwöchner und Crew besonders umfangreiche Wein- und Spirituosenvorräte gebunkert hatten. Mein Gedanke beim Verladen der Vorräte: da kommt was Herausforderndes auf uns zu! Meine Unsicherheit ist dann aber nach und nach verflogen, weil sich (wieder) gezeigt hat, dass Skipper und Crew der SK ja mit allen Herausforderungen klar kommen. Es sollte sich sogar herausstellen, dass wir noch nachbunkern mussten!


Erste Station nach A Coruña und Passieren des Herkulesturms und des Kap Finisterre war Vigo. Unser Auftritt in der dortigen Marina und in den Clubräumen war offenbar so beeindruckend, dass unserem Vorsitzenden spontan eine Partnerschaft mit dem sehr engagierten Club Nautico Vigo angeboten wurde. Wir sind also auf unseren Reisen immer auch Botschafter der SK!


Wer jetzt glaubte, Ankern vor dem Strand der Islas Cíes sei nur entspannend, sah sich getäuscht, weil das Manöver mit dem Dingi (der Bank von Bremen) sich als viel aufwendiger erwies als gedacht. Es wurden Mängel in der Ausrüstung sichtbar und leider war das Gummi schon poröser, so dass hinterher Reparaturen erforderlich wurden, wofür der passende Kleber aber noch später beschafft werden musste. Wo könnte nur das (neuere) Dingi der Wappen sein? Egal, das Ding(i) wurde aufgepumpt, zu Wasser gelassen und drei unerschrockene Entdecker begaben sich damit auf eine Erkundungstour auf die Insel, bei der auch die Badetemperatur des Wassers getestet wurde: man sollte mal im Sommer hinfahren…


Der „Norder“ brachte uns verlässlich nach Süden, so dass wir dann zügig in Cascais anlegen konnten und Zeit zur Erkundung von Lissabon hatten. Diese wunderbare Stadt empfing uns mit sonnigem Wetter und erstaunlich wenig Touristen, so dass wir recht entspannt die Atmosphäre dieser beeindruckenden Metropole genießen konnten. Aber: wir wollten zurück, so dass wir gegen den „Norder“ kreuzend dann in Porto als seglerische Zwischenstation gern angelegt haben.


Die Marina de Leixoes in Matosinhos und auch deren Umgebung sollte noch für Überraschungen sorgen. Einerseits musste ein Crewmitglied, dass ich hier nicht namentlich nennen möchte, einem „Marina-Beamten“ mit der Drohung, seine „Waffe“ zu ziehen und damit die Klotür zu bearbeiten, daran hindern, die Toiletten über die Mittagszeit abzuschließen. Dann kauften wir eine portugiesische Gasflasche in dem (sicheren) Glauben, dass wir den entsprechenden Adapter an Bord haben. Leider ein Irrtum. Da ein Erwerb des lokalen Adapters auch nicht weiterhalf, haben wir am Ende die Gasflasche in A Coruña verschenkt. Für uns wäre sie nur Gefahrgut gewesen. Das war aber auch die einzige Flasche auf dieser Reise, die ein totaler Reinfall war. Auf der anderen Seite haben wir in der baulich halb verfallenen Umgebung der Marina auf dem abendlichen Heimweg nach dem Porto-Bummel einen Club mit sehr stimmungsvoller Live-Musik - u. a. Fado – entdeckt, in dem wir herzlich willkommen waren und die besondere Atmosphäre genießen konnten.


Porto hat uns genauso beeindruckt wie Lissabon, wozu auch Proben des Portweins mit beigetragen haben. Allerdings war die Stadt viel belebter als Lissabon. Schließlich gab es noch „Hafenkino“ beim Ablegen: ein Crewmitglied, dessen Namen ich ebenfalls nicht nennen möchte, hatte sich beim Lösen der letzten Festmacherleine auf dem Steg kurzfristig überlegt, doch nicht an Bord zu kommen und noch in Porto zu bleiben. Da musste bei starken ablandigen Böen unser Skipper erst ein Machtwort sprechen und dann all sein Können aufbringen, um bei regem Schiffsverkehr in der Einfahrt der Marina unser „Wappen“ so geschickt wieder an den Steg zu bringen, dass wir mit der ganzen Crew den Hafen verlassen konnten.



„Training für Olympia“!


Zwischendurch wurde öfter einmal die Angel ausgeworfen. Mancher dachte, das wird nichts, aber dann biss doch ein anständiger Hornhecht an. Unser Schiffsarzt hat gezeigt, dass er nicht nur zu spontanen Notoperationen fähig gewesen wäre, sondern hochprofessionell mit Haken und Messer umgeht, damit zum Abendessen frischer Fisch serviert werden kann. Es muss nicht erwähnt werden, dass wir natürlich die „korrespondierenden“ Weine an Bord hatten.


Einfach nach A Coruña zurück zu segeln kam uns dann doch etwas langweilig vor, so dass wir nach Überwindung des „Norder“ ein zweites Mal um Kap Finisterre, den Herkulesturm und das Kap Punta Estaca de Bares als nördlichsten Punkt der iberischen Halbinsel herum nach Ribadeo an der Grenze zu Asturien gesegelt sind. Die Strapazen haben sich gelohnt, weil wir dadurch noch eine ganz andere Landschaft – viel lieblicher - kennengelernt haben.


Die Genüsse der sehr guten Küche Galiziens haben unseren Skipper immer wieder zu Höchstleistungen auch für Zubereitung der Essen an Bord angespornt, wozu wir dann immer wieder die sehr ansprechenden Weine der Rías Baixas genießen konnten.


Nach Rückkehr zum Ausgangspunkt, der Marina A Coruña, stellte das Schifferessen am letzten Abend vor Übergabe der „Wappen“ an die Folgecrew in einer sehr zünftigen „Schinkería“ in der Altstadt ein weiteres Highlight unserer Reise dar. Das der abschließend zum Käse gereichte Rotwein 100 Parker-Punkte gehabt haben soll, ist ein unbestätigtes Gerücht.




Auch wenn es viel Neues zu sehen gab und rund um das Bordleben manches vergnügliche und auch manchmal anstrengende Ereignis zu bewältigen war, so stellt doch für mich immer wieder die besondere Kameradschaft an Bord das wirkliche „Highlight“ der Reisen dar. Besonders in nächtlichen Wachen erlebe ich Vertrauen, Umsicht und Verlässlichkeit, Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft der Segelkameraden. Gegenseitige Nähe und das Aufeinanderangewiesensein erzeugen eine Vertrautheit, die sonst nur selten auf Reisen entsteht. Diese besonderen Erfahrungen machen die Törns mit der SK zu Erlebnissen, die gewiss intensiv in Erinnerung bleiben werden.


Eine Frage blieb jedoch unbeantwortet: Wie gefiel der Braut die Hochzeitsreise mit neun Männern?

Heinrich Engelken

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